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Das Baugewerbe gehört seit jeher zu den Branchen, in denen es am häufigsten zu Arbeitsunfällen mit schweren Verletzungen oder Todesfolge kommt. So erleidet in der Schweiz jährlich etwa einer von sechs Bauarbeitern einen Unfall und es werden durchschnittlich 13,4 tödliche Arbeitsunfälle pro 100’000 Bauarbeiter verzeichnet. Um Unfälle zu vermeiden, ist das arbeitgebende Unternehmen verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung durchführen zu lassen. Welche Faktoren dabei eine Rolle spielen und welche gesetzlichen Grundlagen bei der Gefährdungsbeurteilung für eine Baustelle gelten, lesen Sie in diesem Beitrag.
Baustellen bergen ein erhöhtes Sicherheitsrisiko
Unabhängig von der Branche ist jeder Betrieb dazu verpflichtet, für sämtliche Abläufe eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Dazu gehört zum Beispiel die Beurteilung von Maschinen, innerbetrieblichen Verkehrswegen oder Lagereinrichtungen, aber auch die Kontrolle der Einhaltung ergonomischer Richtlinien am Arbeitsplatz und die Prüfung von Auswirkungen der Arbeit auf die Psyche von Mitarbeitenden. Zudem müssen die Flucht- und Rettungspläne im Betrieb sowie eine vorschriftsmässige Ausstattung mit Feuerlöschern gegeben sein. Im Bauwesen sind Gefährdungsbeurteilungen besonders wichtig, da Höhenarbeit, der Einsatz von leistungsstarken Maschinen oder der Umgang mit Gefahrstoffen ein grosses Sicherheitsrisiko bergen.
Das bestätigen die UVG-Unfallstatistiken vergangener Jahre: In der Berufsgruppe der Baukonstruktionsberufe treten die meisten meldepflichtigen Arbeitsunfälle auf. Um die Gesundheit von Mitarbeitenden auf dem Bau zu schützen, ist eine Beurteilung und Abwendung möglicher Gefahren unerlässlich. In diesem Zuge wird beispielsweise auch geprüft, ob Erste-Hilfe-Ausrüstungvorhanden ist, damit im Ernstfall entsprechende Erste-Hilfe-Massnahmen ergriffen werden können.
Wie läuft eine Gefährdungsbeurteilung ab?
Die Beurteilung muss erfolgen, bevor die Arbeit auf der Baustelle aufgenommen wird. Dafür eignet sich besonders der Planungsprozess der Baustelleneinrichtung. Denn wenn Sie von vornherein mögliche Gefahren mit Gegenmassnahmen abwenden oder reduzieren, können Sie die Gesundheit Ihrer Mitarbeitenden präventiv schützen. Ein allgemeingültiges Beispiel für die Gefährdungsbeurteilung einer Baustelle lässt sich aufgrund der vielen unterschiedlichen Tätigkeiten im Bauwesen kaum finden.
Ob Hochbaufachkraft auf der Baustelle, Dachdeckerin oder Dachdecker, Elektrikerin oder Elektriker: Die Gefährdungsbeurteilung unterscheidet sich je nach Gewerk. Eine gute Orientierung bieten die Informationen, die Sie auf der Website der Suva erhalten sowie die Sicherheits-Charta, die von der Suva in Zusammenarbeit mit Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften und Planern ausgearbeitet wurde. Sie liefern Anregungen für das Festlegen individueller Gefährdungsfaktoren, die sich je nach Aufgabenbereich unterscheiden.
Für eine erste systematische Kategorisierung können Sie zum Beispiel folgende Faktoren nutzen:
- Mechanische Gefährdungen
- Elektrische Gefährdungen
- Gefahrstoffe, Brand- und Explosionsgefahr
- Biostoffe
- Thermische Gefährdungen
- Gefährdungen durch physikalische Einwirkungen
- Gefährdungen durch Arbeitsumgebungsbedingungen
- Physische Belastung
- Psychische Faktoren
- Arbeitszeitgestaltung
Sowohl staatliche Aufsichtsbehörden als auch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sind dazu berechtigt, Massnahmen zum Arbeitsschutz in Unternehmen und auf Baustellen zu kontrollieren. Dabei kann auch geprüft werden, ob eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt und dokumentiert wurde.
Welche Schutzmassnahmen folgen nach der Gefährdungsbeurteilung?
Die Schutzmassnahmen, die innerhalb der Gefährdungsbeurteilung festgelegt werden, richten sich in Art und Umfang nach den festgestellten möglichen Gefahren. Dabei müssen Sie immer nach dem sogenannten STOP-Prinzip vorgehen:
- Substitution: Tätigkeit einstellen (oder bestimmte Rohstoffe nicht mehr verwenden) und durch ein Verfahren mit geringerer Gefährdung ersetzen
- Technische Massnahmen: bauliche oder verfahrenstechnische Veränderungen, die Mitarbeitende besser schützen (z. B. Schutzwände, Absaugen von Feinstaub)
- Organisatorische Massnahmen: Veränderungen der Arbeitsabläufe, die bewirken, dass Mitarbeitende der Gefährdung nur ausgesetzt sind, wenn es unbedingt nötig ist (z. B. Zugangsbeschränkungen, erhöhte Wartungsintervalle, begrenzte Arbeitsdauer)
- Personenbezogene Massnahmen: Bereitstellen von persönlicher Schutzausrüstung (PSA) wie Atemschutz, Schutzbrille oder Absturzsicherung
Wichtig ist, dass Sie diese Massnahmen entsprechend ihrer Rangfolge in Betracht ziehen. Das heisst, Sie müssen immer zuerst überlegen, ob eine Substitution der Tätigkeit oder des Arbeitsmittels möglich ist. Nur wenn dies erwiesenermassen nicht infrage kommt, können Sie Schutzmassnahmen der darunterliegenden Stufe ergreifen. So dürfen Sie Ihre Mitarbeiter nur zum Tragen einer PSAgA (persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz) verpflichten, wenn vor Ort weder ein Gerüst aufgestellt, noch eine andere bauliche Absicherung angebracht werden kann.
Wie ist die Gefährdungsbeurteilung von Baustellen in Gesetzen verankert?
Die allgemeine gesetzliche Grundlage ist die Verordnung über die Unfallverhütung (VUV), die in § 3 jedes arbeitgebende Unternehmen dazu verpflichtet, alle in der Verordnung festgehaltenen Vorschriften zur Verhütung von Berufsunfällen und Berufskrankheiten (Arbeitssicherheit) zu erfüllen.
In der Bauarbeitenverordnung (BauAV) wird in § 3 zudem festgehalten, dass arbeitgebende Unternehmen zur Prüfung der notwendigen Massnahmen verpflichtet sind, damit die Arbeitssicherheit und der Gesundheitsschutz bei der Ausführung von Arbeiten gewährleistet werden können. Um solche Massnahmen festlegen zu können, müssen zuerst die Gefahren beurteilt werden.
Sowohl staatliche Aufsichtsbehörden als auch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sind dazu berechtigt, Massnahmen zum Arbeitsschutz in Unternehmen und auf Baustellen zu kontrollieren. Dabei wird auch geprüft, ob die Gefährdungsbeurteilung vorschriftsgemäss durchgeführt und dokumentiert wurde.
FAQ zur Gefährdungsbeurteilung auf der Baustelle
Generell ist jeder Betrieb dazu verpflichtet, für die Sicherheit sämtlicher Abläufe zu garantieren. Auf Baustellen ist das besonders wichtig, denn hier sind die meisten Unfälle mit Personenschäden zu verzeichnen.
Um das Unfallrisiko so gering wie möglich zu halten, muss eine Beurteilung möglicher Gefahren im Zuge der Baustelleneinrichtung erfolgen, bevor die Arbeit auf der Baustelle überhaupt aufgenommen wird.
Der Betrieb muss ermitteln, welchen Gefährdungen die Beschäftigten bei der Ausübung ihrer Arbeit ausgesetzt sind. Dabei muss er, sofern es zur Wahrung der Gesundheit der Arbeitnehmenden und zum Schutz ihrer Sicherheit erforderlich ist, ausgebildete Spezialisten der Arbeitssicherheit beiziehen. Diese können sowohl bei der Erstellung als auch bei der Aktualisierung einer Gefährdungsbeurteilung tätig werden.
Sind mehrere Betriebe gleichzeitig auf einer Baustelle beschäftigt, kann gemeinsam ein sachverständiger Verantwortlicher bestimmt werden.
Folgende Gesetze und Vorschriften regeln in der Schweiz die Sicherheit für Arbeitnehmer auf dem Bau:
• Arbeitsgesetz (ArG),
• Verordnung über die Unfallverhütung (VUV),
• Bauarbeitenverordnung (BauAV)
sowie
• Sicherheits-Charta,
• branchespezifische oder situationsabhängige Vorschriften.
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