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So machen Sie den ersten Schritt zur effizienten Gestaltung Ihrer Lagerprozesse: mit der Berechnung von Kommissionierzeiten. In diesem Ratgeber zeigen wir Ihnen, wie Sie die Zeit für jeden einzelnen Schritt der Kommissionierung ermitteln und analysieren können. Entdecken Sie Optimierungspotenziale und erfahren Sie, wie Sie Ihre Lagerwirtschaft wirtschaftlicher gestalten können.
Was sind Kommissionierzeiten und welche Bedeutung haben sie?
Die Kommissionierzeit ist die benötigte Zeit, um die eingelagerten Waren oder Rohstoffe für eine eingegangene Bestellung zusammenzustellen. Sie umfasst alle Schritte der Kommissionierung einer Ware – von der Lokalisierung über die Entnahme und Beförderung bis hin zur Zusammenstellung der Warensendung.
An den Kommissionierzeiten einzelner Waren lässt sich also ablesen, wie schnell ein Auftrag im Lager bearbeitet wird. Aus diesem Grund spielen sie eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, die Effizienz der Lagerprozesse zu beurteilen. Zudem besteht hier Optimierungspotenzial für die gesamte Lagerhaltung, weil Sie zum Beispiel durch die Veränderung von Lagerplätzen, den Einsatz effizienter Beförderungsmittel sowie die Automatisierung der Intralogistik viel Zeit und damit letztendlich Lager- und Personalkosten einsparen können.
Welche Faktoren beeinflussen die Kommissionierzeiten?
Bei der Kommissionierung eines Artikels fallen mehrere Tätigkeiten an, deren Dauer jeweils in die Kommissionierzeit einfliesst. Zu den entscheidenden Faktoren für die Geschwindigkeit der Kommissionierung zählen:
- Organisation der Auftragserteilung und Dokumentation
- Wege zu den einzelnen Lagerplätzen
- Kapazität und Geschwindigkeit der Transportmittel
- Kommissioniermethode
- Grad der Automatisierung im Lager
Um diese einzelnen Faktoren und Arbeitsschritte abzubilden und die Effizienzanalyse zu erleichtern, wird die Kommissionierzeit in fünf Einzelzeiten aufgeteilt:
- Basiszeit: Zeitaufwand für die Organisation der Kommissionierungsprozesse (Aufgabenzuteilung, Abholen der Unterlagen, Bereitstellung der notwendigen Fördermittel und Behälter, Dokumentation etc.)
- Wegzeit: Zeitaufwand für die Wege vom Ausgangspunkt zu den Lagerplätzen und zurück zur Sammelstelle
- Greifzeit (Entnahmezeit, Pickzeit): Zeit für die Entnahme der Lagergüter, Befüllung von Transportbehältern oder Ablage/Befestigung auf dem Fördermittel
- Totzeit (Nebenzeit): Zeit für sämtliche Nebenaufgaben, die direkt mit der Kommissionierung zusammenhängen (z. B. Suche nach dem Lagerplatz, Abzählen der Menge, Prüfung auf Vollständigkeit)
- Verteilzeit: Zeit, die während der Kommissionierung für unproduktive Tätigkeiten (Wartezeit, Kaffeepause, Small Talk, Toilette) aufgewendet wird
Für die Wirtschaftlichkeit eines Lagers sollten die Kommissionierzeiten immer so kurz wie möglich sein. Um sich einen Überblick zu verschaffen, sollten Sie also zunächst die gesamten Kommissionierzeiten berechnen. Anschliessend können Sie auf Grundlage der Teilzeiten im Detail prüfen, welche Arbeitsschritte effizient ablaufen bzw. optimiert werden müssen, um die Lagerkosten weiter zu senken.
Kommissionierzeiten berechnen: Formel und Methoden
Die gesamte Kommissionierzeit für einen Artikel ergibt sich aus der Summe der genannten Teilzeiten. Wollen Sie die Kommissionierzeit berechnen, benutzen Sie also folgende Formel:
Kommissionierzeit = Basiszeit + Wegzeit + Greifzeit + Totzeit + Verteilzeit
Beachten Sie: Diese Formel bildet den Ablauf der Kommissionierung vereinfacht ab, da einige dieser Teilzeiten in der Praxis mehrmals anfallen.
- Greifzeit und Totzeit sind für jeden Artikel eines Auftrags einzeln aufzuzeichnen und zu addieren.
- Die gesamte Wegzeit setzt sich aus den einzelnen Wegzeiten vom Ausgangspunkt zu den verschiedenen Lagerplätzen bis zum Warenausgang zusammen.
- Wie viele Einzelposten für die Verteilzeit anfallen, hängt von der kommissionierenden Person ab.
- Lediglich die Basiszeit fällt für die Kommissionierung eines Auftrags nur einmalig an.
Nun stellen Sie sich vermutlich die Frage, wie Sie diese Zeiten möglichst akkurat ermitteln, um die exakten Kommissionierzeiten berechnen zu können. Dazu stehen Ihnen verschiedene Methoden zur Verfügung:
- Zeiterfassung mit Stoppuhr: Die aufwendigste Variante ist das einmalige Erfassen der Greif-, Tot- und Wegzeiten pro Artikel mit der Stoppuhr. So erhalten Sie die notwendigen Grundlagen, um die Kommissionierzeit für verschiedene Artikelgruppen zu berechnen. Diese Methode ist allerdings nur für übersichtliche Lager mit geringer Artikelvielfalt geeignet. Je umfangreicher und vielfältiger die Kommissionieraufträge sind, umso ungenauer werden die Ergebnisse, da sich das gleichzeitige Kommissionieren mehrere Artikel nur schwer abbilden lässt.
- MTM-Methode: Beim sogenannten Methods-Time-Measurement (MTM) ist eine korrekte Zeitaufzeichnung überflüssig. Hierbei handelt es sich um ein eigenständiges Verfahren, das bereits in den 1940-er Jahren etabliert wurde. Bei der MTM-Methode werden empirisch ermittelte Standardzeiten für menschliche Bewegungsabläufe wie etwa Greifen, Bringen oder Loslassen herangezogen, um eine durchschnittliche Kommissionierzeit zu berechnen.
- REFA-Methode: Diese REFA-Methode (ursprünglich: Reichsausschuss für Arbeitszeitermittlung) vereint Stoppuhr und MTM. Es werden einzelne Bausteine wie die selbstständige Zeiterfassung, Zeitstudien und Momentaufnahmen für die Zeitermittlung einzelner Arbeitsschritte genutzt. So erhalten Sie einen umfassenden Datensatz, der wiederum für die Berechnung der durchschnittlichen Kommissionierzeiten genutzt werden kann. Der Vorteil gegenüber der MTM-Methode ist, dass die Daten die exakten Gegebenheiten in Ihrem Unternehmen widerspiegeln.
Die Verteilzeit kann stark variieren, da sie sowohl von der Tagesform der kommissionierenden Person selbst als auch von den aktuellen Bedingungen im Lager abhängt. Da es sehr aufwendig wäre, die Verteilzeit für jeden Auftrag manuell exakt zu ermitteln, wird sie häufig als prozentualer Anteil an der Summe aus Basis-, Weg-, Greif- und Totzeit dargestellt. So können zum Beispiel pauschal fünf oder zehn Prozent dieser Summe als Verteilzeit aufgeschlagen werden. Der Prozentsatz ergibt sich aus einem Durchschnittswert, der in sogenannten Verteilzeitstudien ermittelt wird.
Kommissionierzeit berechnen: ein Beispiel
Unabhängig davon, welche Methode Sie für die Zeitermittlung einzelner Arbeitsschritte nutzen wollen, zeigt Ihnen das folgende Beispiel, wie Sie Kommissionierzeiten in Minuten pro Auftrag berechnen können.
In einem Baumarkt geht eine Bestellung über fünf Packungen Schrauben und 10 Holzbretter ein. Bei der Kommissionierung fallen folgende Zeiten an:
- Basiszeit: 20 Minuten
- Wegzeit: drei Minuten zum Lagerplatz der Schrauben, zwei Minuten zum Lagerplatz der Holzbretter, fünf Minuten zum Sammelpunkt
- Greifzeit: 30 Sekunden pro Artikel
- Totzeit: 10 Sekunden pro Artikel
Im ersten Schritt werden die einzelnen Zeiten exakt berechnet:
- Wegzeit: 3 Minuten + 2 Minuten + 5 Minuten = 10 Minuten
- Greifzeit: (30 Sekunden x 15 Sekunden) / 60 Sekunden = 7,5 Minuten
- Totzeit: (10 Sekunden x 15 Sekunden) / 60 Sekunden = 2,5 Minuten
Nun addieren Sie Basis-, Weg-, Greif- und Totzeit:
- 20 Minuten + 10 Minuten + 7,5 Minuten + 2,5 Minuten = 40 Minuten
Anschliessend berechnen Sie 5 Prozent von 40 Minuten, um die Verteilzeit zu ermitteln:
- (40 Minuten x 5) / 100 = 2 Minuten
Zum Schluss addieren Sie alle Werte, um die gesamte Kommissionierzeit für den Auftrag zu berechnen:
- Kommissionierzeit insgesamt: 40 Minuten + 2 Minuten = 42 Minuten
Einfluss von Lagerlayout und Kommissioniermethode auf die Kommissionierzeiten
Die Kommissionierzeiten sind in hohem Masse vom Aufbau des Lagers und der Organisation der Arbeitsabläufe abhängig. Das betrifft besonders die Weg- und Greifzeiten. Schliesslich macht es einen grossen Unterschied, ob sich der nächste Artikel direkt im Nachbarregal oder am anderen Ende des Lagers befindet, ob Sie die benötigten Artikel erst im Regal suchen müssen oder eine Komissioniermethode wie Pick-by-Light das Auffinden beschleunigt.
Möchten Sie ein Kommissionierlager einrichten, sollten Sie bereits bei der Lagerplanung an einen möglichst optimalen Ablauf der einzelnen Arbeitsschritte denken. Konkret bedeutet das:
- Wählen Sie eine Lagerstrategie, die den schnellen und unkomplizierten Zugriff auf stark nachgefragte Lagerartikel ermöglicht.
- Lagern Sie häufig zusammen bestellte Artikel möglichst nah beieinander.
- Wählen Sie geeignete Fördermittel für die Art der Artikel und die erwarten Umschlagsmengen. Überlegen Sie, ob der flexible Transport mit Hubwagen oder ein automatisiertes Regalbediensystem langfristig wirtschaftlicher ist.
- Führen Sie eine Lagerverwaltungssoftware (LVS) ein, mit deren Hilfe Sie die Logistik im Lager organisieren und verwalten. Beispielsweise können Kommissionieraufträge und Picklisten erstellt und die Lagerbestände in Echtzeit aktualisiert werden.
- Nutzen Sie beleglose Kommissioniermethoden wie Pick-by-Vision oder Pick-by-Watch, um Fehler bei der Kommissionierung zu reduzieren und Zeiten für die Dokumentation einzusparen.
So können Sie die Kommissionierzeiten verkürzen
In einem bereits bestehenden Lager erfolgt nach der Berechnung die Analyse der einzelnen Kommissionierzeiten. Dabei stehen Sie vor der Frage, ob und wie sich die einzelnen Schritte verkürzen lassen, um langfristig Lagerkosten einzusparen. Die Aufteilung in Einzelzeiten und -tätigkeiten ist hierbei hilfreich, denn auf diese Weise können Sie gut nachvollziehen, wo die Abläufe bereits effizient sind und wo es gegebenenfalls Verbesserungspotenzial gibt.
Auch hier hilft das oben genannte Beispiel:
Bei einem Blick auf die einzelnen Wegzeiten fällt auf, dass die Wegzeit von den Schrauben zu den Holzbrettern recht lang ist. Werden diese Artikel häufig zusammen bestellt, lohnt es sich eventuell, die beiden Produkte direkt nebeneinander zu lagern, um in Zukunft Wegzeit einzusparen und damit die Kommissionierzeiten deutlich zu verkürzen. Doch auch durch Veränderungen in der Verwaltung und Auftragsorganisation lassen sich Arbeitsschritte und Zeit einsparen, etwa indem sich Picklisten und Lagerbestände durch Pick-by-Scan automatisch aktualisieren. Das Abhaken der Liste oder die Dateneingabe am Ende des Auftrags wird dadurch überflüssig; sie können Ihre Produkte direkt verpacken und versenden.
Möglichkeiten zur Zeitersparnis der Kommissionierzeiten bestehen übrigens bei allen Einzelzeiten, wie die folgenden Beispiele zeigen:
Einzelzeit | Optimierungsmöglichkeiten |
---|---|
Basiszeit | • einheitliche, leicht erfassbare Gestaltung der Belege • Umstellung auf beleglose Verfahren • Bereitstellung von Fördermitteln und Transportbehältern (ausreichende Anzahl, einfacher Zugriff) • Einsatz leistungsfähiger LVS |
Wegzeit | • Anpassung der Lagerstrategie • Häufig nachgefragte oder gemeinsam bestellte Artikel nah beieinander lagern • Wegoptimierte Auftragslisten |
Greifzeit | • Lagerplatz an Artikel anpassen • Leichter Zugriff auf Waren mit hoher Nachfrage • Schwere, unhandliche Waren gut erreichbar für Flurfördermittel platzieren |
Totzeit | • Lagergänge und Regalfächer gut sichtbar und eindeutig gekennzeichnet • Ggf. digitale Pickverfahren einsetzen (bspw. Pick-by-Vision) |
Verteilzeit | • Abläufe im Lager optimal aufeinander abstimmen, um Wartezeiten zu vermeiden • Gute Arbeitsbedingungen (evtl. Belohnungssystem) zur Motivation der Belegschaft |
In der Regel sind Weg- und Greifzeiten die Faktoren mit dem höchsten Optimierungspotenzial. Dadurch lässt sich mit Veränderungen in diesen Bereichen auch die größte Wirkung für die Wirtschaftlichkeit des Lagers erzielen.
FAQ zur Berechnung von Kommissionierzeiten
Die Kommissionierzeit setzt sich aus mehreren Einzelzeiten zusammen. Die Formel lautet:
Kommissionierzeit = Basiszeit + Wegzeit + Greifzeit + Totzeit + Verteilzeit
Wenn Sie für eine Warensendung mit mehreren Artikeln die Kommissionierzeit berechnen wollen, müssen Sie beachten, dass Weg-, Greif- und Totzeit entsprechend mehrmals anfallen. Die Verteilzeit wird meist vereinfacht als prozentualer Anteil auf die Summe aus Basis-, Weg-, Greif- und Totzeit aufgeschlagen.
Die Kommissionierzeiten sind ein wichtiger Indikator für die Effizienz und Wirtschaftlichkeit eines Lagers. Sobald die Kommissionierung von Waren und Rohstoffen einen signifikanten Teil der täglichen Arbeit Ihres Unternehmens darstellt, sollten Sie regelmäßig Kommissionierzeiten berechnen und analysieren. Die Ergebnisse zeigen nicht nur, ob die Kommissionierung insgesamt schnell genug abläuft, sondern liefern auch Hinweise darauf, welche Arbeitsschritte Sie optimieren können.
Art, Größe und Beschaffenheit der Waren haben insofern einen Einfluss auf die Kommissionierung, als dass einige Güter bestimmte Fördermittel oder Transportbehälter benötigen. Beispielsweise fallen bei der Kommissionierung von Schüttgütern zusätzliche Zeiten für die Abfüllung an, während Sie Stückgüter einfach aus dem Regal entnehmen und mit einem Hubwagen befördern können. Andere Güter sind so groß oder schwer, dass sie einzeln transportiert werden müssen. Bei größeren Bestellmengen muss der Weg zum Lagerplatz entsprechend mehrmals zurückgelegt werden.
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